Das war die Schönhengster Spielschar

. . . , so wie Jost Köhler sie erlebte

Ich lernte Trude Derschmidt als 18-jähriger in Karlsruhe bei einer Hensel-Singwoche 1954 kennen. 68 Sänger und Sängerinnen folgten dem Aufruf Walther Hensels, sich in der Jugendherberge in Karlsruhe zum Singen und Musizieren in der Tradition von Finkenstein zu treffen. Auch Gerald Hellebrand, der Bruder von Trude und Pepp Lidl waren anwesend.

Bald sammelte Trude aus dem großen Kreis der Teilnehmer die Jugendlichen heraus, um mit ihnen für den Abschlußabend Volkstänze und ein Theaterstück einzuüben.
Mit diesem Kreis vereinbarte sie ein Treffen im DJO-Heim Jebenhausen im nächsten Jahr, eine Woche vor dem Schönhengster Heimattag in Göppingen.

(Bild: Walther-Hensel-Singwoche in Karlsruhe 1954)

Damit war die Schönhengster Sing- und Spielschar gegründet. Wir etwa 40 Jugendlichen verlebten eine Woche, ausgefüllt mit Singen, Tanzen, Musizieren, Theaterspielen und auch mit Einblicken in die Literatur.
Jede Singwoche hatte einen literarischen Schwerpunkt.
Ich kann mich an die tiefsinnigen Geschichten von Heinrich Waggerl erinnern oder an Abel mit der Mundharmonika von Manfred Hausmann. Fridolin Aichner (Dr. Irmfried Benesch) aus Aichen bei Mährisch-Trübau ließ uns durch seine Erzählungen Auf verwehter Spur und Kornblumen und roter Mohn die Schönhengster Heimat erleben.
Karl Hübl aus Dreihöf vermittelte uns die Schönhengster Heimatdialekte und die Verschiedenartigkeit der Schönhengster Tracht, die wir bei jeder Veranstaltung gern trugen. Im Brauchtum und landschaftlicher Eigenart lernten wir unsere Herkunft und Tradition kennen. Wir wurden bewußte Schönhengster.
Die Volkstänze, die uns Trude mit Blockflötenmusik beibrachte, bereicherten unseren musischen Horizont. Zu den Aufführungen der Tänze hatten wir natürlich Orchesterbegleitung.

160 Liedblätter habe ich in meinem Archiv gefunden, die Trude für uns in mühsamer Arbeit mit Wachsmatritzen abgezogen hat. Es ist ein Fundus der schönsten Volkslieder und Volksliedsätze, die zum großen Teil von Gerald Hellebrand stammen. Walther Hensels Vermächtnis ist darin zu finden.

(Bild: Singwoche in Jebenhausen 1955)

Neben der Gestaltung der Heimatabende zum jährlichen Schönhengster Treffen in Göppingen wirkte die Spielschar auch bei den Sudetendeutschen Tagen mit. Im Südwest-Rundfunk war sie gelegentlich zu hören.
Auf den Fahrten ins Ausland (1961 nach Schweden, 1963 und 1965 nach England, 1970 nach Frankreich) vertrat sie unsere Heimat mit großem Erfolg.
Die Sudetendeutsche Landsmannschaft verlieh ihr den Kulturpreis und würdigte die Arbeit von Trude Derschmidt, Gerald Hellebrand und Josef Lidl.
Zwei Schallplatten mit Schönhengster Kulturgut nahmen wir unter der Leitung von Gerald Hellebrand auf: Zwischen zwei Berg’ und Tal und Das Herz hängt daran.

Für uns Teilnehmer waren die Jahre in der Spielschar voll kultureller Bereicherungen, guter Freundschaften, auch Findung der eigenen Persönlichkeit und vor allem auch ein Bekenntnis zur eigenen Heimat.
Wir verleugneten nicht, dass wir Vertriebene waren und waren stolz auf die Kultur und geschichtliche Bedeutung unseres Schönhengstgaus.

Wir danken sehr unserer Trude, dass wir die Jahre in dieser Gemeinschaft verbringen konnten.
Erinnerungen, die unser Herz berühren, gehen niemals verloren.



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