Oskar Böse wird 90

Bahnbrechender Mitgründer der Sudetendeutschen Landsmannschaft

Oskar Ossi Böse war von Anfang an dabei. Am 10. Juni feiert das sudetendeutsche Urgestein 90. Geburtstag.

Ossi Böse am Heiligenhof 2013

Er kam in Seifersdorf im Kreis Deutsch Gabel auf die Welt, übersiedelte aber als Kind mit seinen Eltern nach Reichenberg.
Nach dem Kriegsabitur zog ihn die Deutsche Wehrmacht ein, bei der er als Gebirgsjäger an Alpenüberquerungen und schweren Übungen teilnahm.
Er kam als junger Leutnant an die Front und wurde 1945 nach Prag entlassen. Der 21jährige Kriegsheimkehrer schlug sich nach Reichenberg durch und folgte seinen Eltern bald nach Berchtesgaden, wo sie eine Bleibe gefunden hatten.

1947 gründete Ossi, wie er noch heute gerufen wird, in Berchtesgaden eine SdJ-Gruppe. Er suchte und fand Verbindungen zu anderen SdJ-Gruppen in Oberbayern und Österreich und wurde bald SdJ-Landesjugendführer.
1950 übernahm er eine Stelle in der Jugendbildungsstätte Ingolstadt.
Als 1952 der Heiligenhof als Sudetendeutsche Heimstätte europäischer Jugend eröffnet wurde, ging zuerst seine Verlobte Josefine Pepi Hölzl als Wirtschaftsleiterin dorthin. Ossi folgte bald als Heimleiter.
Das junge Paar heiratete auf dem Heiligenhof, wo Sohn Dietmar geboren wurde. Der zweite Sohn Gerald kam später in München zur Welt.
2003 starb Pepi.

Der Heiligenhof beherbergte Anfang der fünfziger Jahre die Bundesgeschäftsstelle der SdJ, unseres Jugendverbandes mit mehreren tausend Gruppen (SdZ Folge 23 06.06.2014 Seite 11f).
Ossi wurde 1952, Hauptjugendführer, unter dem die SdJ in Westdeutschland und Österreich zusammenarbeitete. Als er Bundesvorsitzender der Deutschen Jugend des Ostens (DJO) wurde, übergab er 1957 die Heimleitung des Heiligenhofes an Erich und Traudl Kukuk und leitete erst in Bad Kissingen, 1960 dann in München die Bundesgeschäftsstelle der DJO.
Schon auf dem Heiligenhof begann Böse, Kontakte über Deutschlands Grenzen zu knüpfen. Er und seine Mitstreiter bauten den Jugendverband der Föderation europäischer Volksgruppen (FUEV) auf. Er -- und später Erich Kukuk -- saßen dieser übernationalen Gruppe lange vor.

Böse knüpfte auch Kontakte zu mittel- und osteuropäischen Exilgruppen in Deutschland.
Er machte die DJO im Deutschen Bundejugendring und darüber hinaus bekannt. Der SPD-Politiker und BdV-Präsident Wenzel Jaksch unterstützte ihn.
1965 übergab Böse seine Ämter im Jugendverband. Er suchte eine neue Herausforderung, wurde Leiter des Hauptausschusses für Flüchtlinge und Vertriebene in München und wechselte 1967 als Geschäftsführer und Direktor zum Haus des Deutschen Ostens in Düsseldorf.
Dieses Haus machte er zu einem Zentrum für internationale Zusammenarbeit und förderte Künstler aus dem Osten.
Er führte Reisen von Politikern und Künstlern nach Siebenbürgen, pflegte Kontakt mit dortigen Autoren und Künstlern und betreute sie bei Besuchen in Deutschland und nach ihrer Ausreise.
Seine breitgefächerte Laufbahn beendete er 1988.

Schon seit der Gründung des SL-Bundesverbandes gehörte Ossi Böse als SdJ-Vertreter dem Bundesvorstand an. Er ist wohl das letzte noch lebende Mitglied des ersten Bundesvorstandes.

Seit dem ersten Sudetendeutschen Tag 1950 nahm er bis vor wenigen Jahren an allen Pfingsttreffen teil.
Unter ihm und seinen Freunden organisierte die SdJ bald große und kleine Einzelveranstaltungen bei den Sudetendeutschen Tagen: den Volkstumsabend, die Großkundgebung, größere und kleinere Beiträge zum Programm.
Er organisierte mit der SdJ auch fast alle Ordnerdienste.
So wuchs Oskar Böse in die politische Arbeit des Bundesvorstandes hinein. Er war und ist ein geschätzter Ratgeber auch über den Verband hinaus. Das Netzwerk seiner persönlichen Kontakte ist grenzenlos -- seine Freundschaft auch.

Von 1972 bis 1994 war er SL-Bundeskulturreferent. Er baute Verbindungen auf, förderte Künstler, Autoren, Kulturschaffende anderer Sparten sowie Wissenschaftler und machte die Sudetendeutschen Kultur- und Förderpreise zu über die Volksgruppe hinaus anerkannten Auszeichnungen.

Wer zählt seine Initiativen und sein Engagement? Er war Vorstandsmitglied der Sudetendeutschen Stiftung und half, das Sudetendeutsche Haus aufzubauen und zu gestalten.
Hier arbeitete er seit 1995 auch an einer Konzeption für ein Sudetendeutsches Museum.
Er unterstützte den Aufbau und die Arbeit des Sudetendeutschen Musikinstituts in Regensburg, der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste, der Zeitschrift Sudetenland und anderer Projekte.
Als Heimatkreisbetreuer von Reichenberg knüpfte er nach der Grenzöffnung Kontakte zu seiner Heimatstadt und veranstaltete die ersten und dann noch viele Deutsch-Tschechische Kulturtage.

Unter vielen anderen Auszeichnungen erhielt er das Bundesverdienstkreuz, den Bayerischen Verdienstorden, den Ehrenbrief der SL und den Großen Sudetendeutschen Kulturpreis.

Volksgruppensprecher Bernd Posselt MdEP:
"Ossi Böse war schon in den ersten Nachkriegsjahren, als er zu den Gründern der Sudetendeutschen Jugend, des Heiligenhofs und der Sudetendeutschen Landsmannschaft gehörte, ein ungemein schöpferischer und produktiver Geist.
Geprägt von seiner nordböhmischen Heimatstadt Reichenberg, deckte er mit der großen Vielfalt seiner Begabungen gleich mehrere Gebiete ab: Jugendarbeit, Heimatpolitik, Kultur, Organisation und die Entwicklung visionärer Gedanken. Dies gilt noch heute, wo er in Zurückgezogenheit seinen 90. Geburtstag begeht.

Seine Stärke war und ist die Rasterfahndung, das heißt die Fähigkeit, sowohl im Kultur- und Geistesleben als auch in der Politik Talente mit sudetendeutschem Bezug zu entdecken, um sie dann nachhaltig zu fördern.
Der begnadete Netzwerker wäre, wenn es die Vertreibung nicht gegeben hätte, wohl einer der bedeutendsten sudetendeutschen Politiker im Prager Parlament oder im Reichsrat der alten k. u. k. Monarchie geworden.

Trotz seiner fundierten Geschichtskenntnisse und seines Wissens als Zeitzeuge hat sich Ossi Böse bis heute die Fähigkeit erhalten, stets in die Zukunft hinein zu denken. Nach der Wende von 1989 war er einer der ersten, die Brücken hinüber in die Tschechische Republik schlugen und Volksgruppenpolitik stets in einem großen mittel- und gesamteuropäischen Zusammenhang betrieben.
Ich durfte mit ihm unmittelbar nach dem Fall des Eisernen Vorhanges bei der Erneuerung der deutschen Volksgruppenorganisationen in Nordböhmen, beim Aufbau der Euroregion Neiße sowie bei der Gründung der Deutsch-Tschechischen Kulturtage in Reichenberg zusammenwirken.
Von ihm, der 50 Jahre lang dem SL-Bundesvorstand angehörte, habe ich viel gelernt, zahlreiche gute Ratschläge erhalten und vor allem sein strategisches Denken bewundern können.

Zu seinem Geburtstagsfest, das er, wie so oft, an Pfingsten begeht, wünschen wir ihm von Herzen weiterhin viele gute Ideen, Glück im Kreis seiner Familie wie auch der lieben Freunde, die er in ganz Europa hat, und Gottes Segen.


Nadira Hurnaus



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